Die wichtigsten Kennzahlen im wattbasierten Training

Auf der ersten Ausfahrt mit einem Powermeter sieht man sich einer schieren Flut an neuen Werten und Funktionen gegenüber, die am Anfang kaum zu überblicken ist. Dieser Artikel gibt eine kleine Übersicht über die neuen Kennzahlen und hilft dabei sich schneller zurechtzufinden.

1. Standardwerte eines Powermeters

Aktuelle Leistung

Neben der aktuellen Leistung (angegeben in Watt) können moderne Radcomputer auch häufig geglättete Leistungsdaten anzeigen. Gängig sind hier Durchschnittswerte, die „live“ über die letzten 3, 10 oder 30 Sekunden berechnet werden. Diese haben den Vorteil, dass die Anzeige nicht mehr so stark schwankt und es somit leichter fällt entsprechende Pacing-Vorgaben einzuhalten. In der Praxis hat sich die 3s-Anzeige als Standardeinstellung bewährt.

Maximal- und Durchschnittsleistung

Maximalleistung und arithmetische Durchschnittsleistung sind für die spätere Analyse der Einheit von Bedeutung und erklären sich von selbst. Bei der Durchschnittsleistung ist allerdings zu beachten, ob Nullwerte in die Berechnungen einfließen sollen oder nicht. Viele Radcomputer bieten im Menü diesbezüglich eine  Auswahlmöglichkeit an. Empfehlenswert ist es hier die Option mit Nullwerten zu wählen, da fehlende Nullwerte sonst die Durchschnittsleistung nach oben verfälschen.
Fährt man beispielsweise mehrmals einen Anstieg hoch und wieder herunter, so errechnet sich die Durchschnittsleistung ohne Nullwerte fast nur aus den hohen Einzelleistungen berauf und die ausgeprägten Rollphasen bergab bleiben gänzlich unberücksichtigt. Ein solcher Durchschnittswert bildet die Trainingseinheit allerdings nicht in ihrer tatsächlichen Intensität ab und erschwert die spätere Analyse.

Trittfrequenz (davon abgeleitet: Pedalierzeit, Pedalierindex)

Die Trittfrequenz wird vielen Lesern noch von klassischen Radcomputern bekannt sein. Dort gab es diesen Wert häufig optional wenn weitere Sensorik* verbaut wurde. Bei einem Powermeter ist die Trittfrequenz jedoch immer vorhanden, da sie als Variable  zur Leistungsberechnung zwingend benötigt wird. Es handelt sich hierbei um die Angabe der Umdrehungen der Tretkurbel pro Minute. Oftmals ist neben den Maximal- und Durchschnittswerten auch die Pedalierzeit abrufbar. Diese gibt die Gesamtfahrzeit bereinigt um die Rollphasen ohne Tretbewegung an. der Pedalierindex stellt diesen Zusammenhang prozentual dar.

Gewichtsbezogene Leistung (Watt pro Kilogramm)

Diese Kennzahl macht die Leistung von Radsportlern vergleichbar, die ein stark voneinander abweichendes Körpergewicht aufweisen (beispielsweise Sprinter vs. Kletterer). Weltklasse-Athleten leisten über 6 W/kg über mindestens eine halbe Stunde.

Mechanische Arbeit in kJ

Hier wird der Energieumsatz des Sportlers in Kilojoule angegeben. Da Leistung als Arbeit pro Zeiteinheit definiert ist (1 Watt entspricht 1 Joule pro Sekunde), lässt sich der Energieumsatz also leicht aus der gemessenen Leistung und der Dauer der Radfahrt errechnen.

Rechenbeispiel: Herleitung des Kalorienverbrauchs

Fährt ein Sportler 2 Stunden Rennrad mit durchschnittlich 200 Watt, ergibt sich folgender Energieumsatz: 200 Joule mal 7.200 Sekunden ist gleich 1.440.000 Joule oder umgerechnet 1.440 Kilojoule. Möchte man diesen Zahlenwert hinsichtlich der Ernährungsplanung in die gebräuchlichere Einheit Kilokalorien (kcal) umrechnen, muss man den Wert durch 4,184 teilen (1 kcal entspricht 4,184 kJ). Wir erhalten in unserem Beispiel also 344,17 kcal für die 2-stündige Radfahrt. Erfahrenen Radsportlern dürfte dieser Wert allerdings deutlich zu niedrig vorkommen. Und das Gefühl täuscht sie an dieser Stelle nicht, denn ein wesentlicher Parameter fehlte bislang in dieser Betrachtung: Der Mensch unterliegt einem mechanischen Wirkungsgrad!

Nur etwa 25% der verbrauchten Energie werden tatsächlich in mechanische Energie umgewandelt und schließlich vom Powermeter gemessen. Der Rest geht in Form von Wärme verloren oder dient der Aufrechterhaltung des Kreislaufs. Um die benötigte Gesamtenergie zu erhalten müssen wir den errechneten Wert also wieder mit 4 multiplizieren und erhalten realistische 1376,67 kcal.

Da die 25% Wirkungsgrad als grobe Annäherung zu verstehen sind, kann auch die Umrechnung von kJ auf kcal von 4,184 auf 4 abgerundet erfolgen. Wir haben es also 2 mal mit dem Faktor 4 zu tun, der sich gegenseitig aufhebt. Durch diesen glücklichen Zufall können wir die angezeigte mechanische Arbeit in kJ also näherungsweise als verbrauchte Gesamtenergie des menschlichen Organismus in kcal interpretieren.

2. Kennzahlen des Unternehmens TrainingPeaks®

Besonders interessant sind die Kennzahlen von TrainingPeaks®, welche mittlerweile von den meisten aktuellen Radcomputern während der Fahrt berechnet und angezeigt werden können. Um jene Kennzahlen verstehen zu können, muss allerdings zunächst der Basiswert der wattbasierten Trainingssteuerung erläutert werden: Der FTP-Wert.

Functional Threshold Power (FTP)

Das Konzept zur funktionellen Leistungsschwelle wurde von Sportwissenschaftler Dr. Andrew Coggan entwickelt und viele der folgenden Intensitätskennzahlen basieren darauf. Der FTP-Wert gibt Auskunft darüber welche Durchschnittsleistung ein Sportler über 1 Stunde maximal aufrechterhalten kann. Überschreitet der Sportler seine individuelle FTP so ermüdet er vorher, unterschreitet er sie, so kann er jene Belastung über 1 Stunde hinaus halten. Für die Trainingssteuerung ist dieser Wert besonders wichtig, um individuelle Trainingszonen in Form von Leistungsbereichen abzuleiten. Da der zugrunde liegende FTP-Wert mit steigender Form größer wird, muss dieser in regelmäßigen Abständen erneut ermittelt werden.

Normalized Power® (NP®)

Die normalisierte Leistung gewichtet im Vergleich zur arithmetischen Durchschnittsleistung die höheren Leistungen stärker als die niedrigen. Dieses Vorgehen berücksichtigt, dass der physiologische Trainingsreiz und die metabolischen Kosten bei höherer Leistung größer sind. Es werden also die tatsächlichen, physiologischen Anforderungen „eingepreist“. Die exakte Formel ist recht komplex, sodass ich auf ihre Darstellung an dieser Stelle verzichte.

Praxisbeispiel

Fiktive Trainingseinheit von 3 Stunden Dauer. In den ersten beiden Stunden leistet der Sportler 150 Watt, in der dritten Stunde 300 Watt. Die arithmetische Durchschnittsleistung beträgt folglich 200 Watt. Erfahrene Radsportler wissen jedoch, dass 200 Watt eine solche Einheit nicht adäquat beschreiben. Die letzte Stunde macht diese Einheit deutlich intensiver als eine 3-stündige Einheit mit konstant 200 Watt. Die normalisierte Leistung berücksichtigt dies und liegt deutlich über 200 Watt.

Intensity Factor® (IF®)

Der Intensitätsfaktor ist der Quotient aus NP® und FTP und schwankt um den Wert 1. Ein Wert von 1,0 bedeutet, dass sich der Sportler exakt an der eingestellten funktionellen Schwellenleistung befindet.

Training Stress Score® (TSS®)

Der TSS® gibt Auskunft darüber wie stark eine Trainingseinheit einen Sportler tatsächlich belastet hat. Dabei bezieht sich der Algorithmus auf die FTP und den IF®. Eine Stunde Training an der funktionellen Schwelle ergeben exakt 100 Punkte. Kumulierte Punktwerte über Tage und Wochen hinweg erlauben Aussagen über die Frische des Sportlers bzw. die notwendigen Regenerationszeiten.

3. Kennzahlen bei Powermetern mit beidseitiger Messung

Torque Effectiveness (TE)

Die Drehmoment-Effektivität analysiert das positive Drehmoment (Kraft, die das Pedal vorne herunter drückt) und das negative Drehmoment (Gegenkraft des hinteren Beins) und ermittelt dann den Anteil des positiven Drehmoments am Gesamtdrehmoment. Die Kennzahl wird in Prozent ausgedrückt und für jedes Bein separat berechnet.

Pedal Smoothness

Diese Prozentzahl gibt an wie flüssig und gleichmäßig der Fahrer die Trittbewegung ausführt. Hierzu wird die Durchschnittsleistung einer einzelnen Kurbelumdrehung durch die Maximalleistung dieser Kurbelumdrehung dividiert und anschließend mit 100 multipliziert.

Balance

Rechts-/Linksverteilung der Gesamtleistung in Form von 2 Prozentwerten, idealerweise 50% / 50%. Da diese Anzeige ebenfalls recht stark schwankt, bieten viele Radcomputer auch hier geglättete Durchschnittswerte der letzten 3, 10 oder 30 Sekunden an. Das arithmetische Mittel der Balance steht nach der Fahrt zur Analyse zur Verfügung.